Lectrix – Notizen einer Leserin

20. Mai 2007

Terry Pratchett: Der Winterschmied. Ein Märchen von der Scheibenwelt

Filed under: Terry Pratchett — Lectrix @ 21:58

Im Regal eines Freundes entdeckte ich am ersten Mai das Buch „Der Winterschmied. Ein Märchen von der Scheibenwelt“. Ich drängte ihn direkt, es uns zu leihen, wartete ich doch schon seit Februar auf eine solche Gelegenheit und hatten wir zudem gerade den „Erdzauber“ beendet und überlegten, was wir als nächstes lesen sollten.

So las mir mein Lebenspartner diesen neuesten Roman von Terry Pratchett in den letzten Tagen vor und wir hatten eine Menge Spaß bei der Lektüre. Insbesondere natürlich bei den Passagen, in denen die Wir-sind-die Größten sich mal wieder von ihren besten Seiten zeigen, wie z.B.:

»Einen Brief?«, fragte Tiffany, während der Webstuhl hinter ihr klackte und der Doofe Wullie einen schmutzigen, zusammengerollten Umschlag hervorzog.
»Er is‘ von dem kleinen Rotzlöffel im Schloss daheim«, fuhr Rob fort, während sein Bruder den Brief ablieferte. »Er schreibt, dasses ihm gut geht und dassa hofft, dasses dir ebenfalls gut geht, un‘ er freut sich auf deine möglichst baldige Heimkehr, und dann schreibt er viel über Schafe und so, eher langweiliges Kram, meiner Meinung nach, und unten drunter hat er S.W.A.L.K. geschrieben, aber wir ham noch nich‘ herausgefunden, was das bedeutet.«
»Du hast den Brief an mich gelesen?«, fragte Tiffany entsetzt.
»O ja«, bestätigte Rob stolz. »Null Problemo. Billy Breitkinn hier hat mir bei den längeren Worten den ein oder anderen Tipp gegeben, aber das meiste habe ich ganz allein rausgekriegt, ja.«
(Terry Pratchett: Der Winterschmied. Ein Märchen von der Scheibenwelt, München: Manhattan 2007, S. 64)

Auch in „Der Winterschmied. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ finden sich darüber hinaus wieder einige treffende Beschreibungen menschlichen Verhaltens, die man – Hexen hin oder her – auch in unserer Welt alltäglich beobachten und wieder erkennen kann. Dabei kommen durchaus auch komplexere Zusammenhänge, Einsichten und Lebensweisheiten zum Ausdruck, die obwohl in Pratchetts humorvollem Stil und in einer Fantasyumgebung präsentiert doch nicht weniger wahr sind:

»Wen gedenkst du an ihre Stelle zu setzen?«, fragte Fräulein Tick, denn sie erfuhr Neuigkeiten gern als Erste. Sie sagte »gedenkst du«, weil sie der Ansicht war, dass es gebildeter klang als ein schlichtes »willst du«.
»Die Entscheidung liegt nicht bei mir, Fräulein Tick«, sagte Oma Wetterwachs scharf. »Es gibt kein Hexenoberhaupt, wie du weißt.«
»Oh, natürlich«, erwiderte Fräulein Tick, die auch wusste: Das Oberhaupt, das die Hexen nicht hatten, war Oma Wetterwachs. »Frau Ohrwurm schlägt bestimmt die junge Annagramma vor, und Frau Ohrwurm hat derzeit recht viel Einfluss. Das liegt vermutlich an den Büchern, die sie schreibt. Bei ihr klingt die Hexerei ziemlich aufregend.«
»Wie du weißt, mag ich keine Hexen, die versuchen, anderen ihren Willen aufzuzwingen«, sagte Oma Wetterwachs.
»In der Tat«, entgegnete Fräulein Tick und versuchte, nicht zu lachen.
»Ich werde allerdings bei den Gesprächen über Fräulein Verrats Nachfolgerin einen Namen fallen lassen«, kündigte Oma Wetterwachs an.
Und zwar ziemlich laut, dachte Fräulein Tick. »Petulia Knorpel hat sich gut entwickelt«, sagte sie. »Könnte zu einer vielseitigen Hexe werden.«
»Ja, aber ihre Vielseitigkeit betrifft vor allem Schweine«, meinte Oma Wetterwachs. »Ich dachte an Tiffany Weh.«
»Was?«, entfuhr es Fräulein Tick. »Glaubst du nicht, sie hat schon genug am Hals?«
Ein flüchtiges Lächeln glitt über Oma Wetterwachs‘ Gesicht. »Wie heißt es so schön, Fräulein Tick: Wenn du etwas erledigt haben möchtest, so beauftrage jemanden, der beschäftigt ist! Und die kleine Tiffany wird bald sehr beschäftigt sein«, fügt sie hinzu.
(Terry Pratchett: Der Winterschmied. Ein Märchen von der Scheibenwelt, München: Manhattan 2007, S. 121 f.)

Womit Tiffany dann sehr beschäftigt ist, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Es sei abschließend nur gesagt, dass „Der Winterschmied. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ unserer Meinung nach das (bisher) beste Buch der Reihe um Tiffany Weh ist, auch wenn uns „Kleine freie Männer. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ und „Ein Hut voller Sterne. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ bereits sehr gut gefielen.

Ob es wohl noch einen vierten Teil geben wird?
Wir hoffen es, denn wir würden ihn auf jeden Fall lesen wollen.


13. April 2007

Terry Pratchett: Wahre Helden / The Last Hero

Filed under: Terry Pratchett — Lectrix @ 16:00

Mit viel Vergnügen las ich die englische und die deutsche Fassung dieses Romans von Terry Pratchett parallel.

Ich kann nun nicht sagen, welche mir besser gefiel, denn einerseits lassen sich viele herrlich lautmalerisch eingefangene Szenen und Ausdrucksweisen kaum angemessen ins Deutsche übertragen. Zum Beispiel:

Lord Vetinari stared along the table. A lot had been happening in the past few hours.
‚If I may recap, then, ladies and gentlemen ,‘ he said, as the hubbub died away, ‚according to the autorities in Hunghung, the capital of the Agatean Empire, the Emporer Ghengiz Cohen, formerly known to the world as Cohen the Barbarian, is well en route to the home of the gods with a device of considerable destructiv power and the intention, apparently, of, in his words, „returning what was stolen“. And, in short, they ask us to stop him.‘
‚Why us?‘ said Mr Boggis, head of the Thieves‘ Guild. ‚He’s not our Emperor!‘
‚I understand the Agatean government believes us to be capable of anything‘, said Lord Vetinari. ‚We have zip, zing, vim and a go-getting, can-do attitude.‘
‚Can do what?‘
Lord Vetinari shrugged. ‚In this case, save the world.‘
(Terry Pratchett: The Last Hero, London: Gollancz 2002, S. 97)

„Wir haben jede Menge Schwung und Elan, außerdem eine Ran-an-die-Buletten-und-das-kriegen-wir-schon-hin-Einstellung“ trifft „We have zip, zing, vim and a go-getting, can-do attitude“ meines Erachtens nicht ganz.

Andererseits hat der Übersetzer Andreas Brandhorst fast überall sonst angemessene Übersetzungen gefunden, hervorragend geschafft die Stimmung zu transportieren und an manchen Stellen das Original sogar noch übertroffen. So mag zwar „Das ich bin“ eine schwache Übersetzung von „Dat’s me“ sein, wenn es sich dabei um den Namen eines unterbelichteten Trolls handelt, aber dafür schlägt „Finsterer Fred Fürchterlich“ in meinem Empfinden als Name eines Unheilsfürsten „Evil Harry Dread“ um Längen.

Ich halte also sowohl die Lektüre in der Originalsprache als auch die Lektüre der deutschen Ausgabe für empfehlenswert. Die Geschichte um den Wettlauf zum Sitz der Götter zwischen dem in die Jahre gekommenen Cohen mit seiner Grauen Horde und dem Unheilsfürsten mit seinem Gefolge auf der einen Seite und Rincewind, Karotte sowie Leonard of Quirm auf der anderen Seite ist einfach herrlich. Man sollte nur auf jeden Fall darauf achten, dass man ein Buch erwirbt/ausleiht, welches auch die Illustrationen von Paul Kidby enthält, da diese einfach mit dazu gehören und sehr viel zum Amüsement beitragen.


26. Dezember 2006

Terry Pratchett: Ein Hut voller Sterne. Ein Märchen von der Scheibenwelt

Filed under: Terry Pratchett — Lectrix @ 18:30

Letztes Jahr schenkten wir unseren Gastgebern während der Weihnachtstage „Kleine freie Männer. Ein Märchen von der Scheibenwelt“. Als ich dieses Jahr mit „Ein Hut voller Sterne. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ die Fortsetzung davon in ihrem Bücherregal fand, freute ich mich zwiefach: Zum Einen deute ich das doch als sicheres Zeichen, dass Ihnen unser damaliges Geschenk gefiel, zum Anderen erhielt ich dadurch die Gelegenheit, die Fortsetzung während unseres Aufenthaltes selbst zu lesen. Noch mehr freute ich mich allerdings, als ich zu lesen begann, denn „Ein Hut voller Sterne“ ist wahrlich lesenswert.

Es ist zwar in einer Fantasywelt angesiedelt, es gibt Hexen und märchenhafte Gestalten, aber das heißt nicht, dass es sich dabei „nur“ um einen Fantasyroman handeln würde, dass man aus diesem Buch nicht auch viel über das Leben, die Menschen und Menschenführung lernen könnte. Die Romane um Tiffany Weh weisen m.E. nämlich durchaus einige Gemeinsamkeiten mit den klassischen Bildungsromanen auf.

Zum Beispiel die Sache mit dem Abort der Raddels. Frau Grad hatte Herrn und Frau Raddel mehrmals geduldig erklärt, dass er viel zu nahe beim Brunnen stand und das Trinkwasser deshalb voller winzig kleiner Tierchen war, die die Kinder krank werden ließen. Sie hatten jedes Mal aufmerksam zugehört und den Abort nie verlegt. Frau Wetterwachs behauptete, hinter den Krankheiten steckten böse Kobolde, die von dem Geruch angelockt wurden, und als sie die Hütte verließen, gruben Herr Raddel und drei seiner Freunde auf der anderen Seite des Gartens einen neuen Brunnen.
»Die Krankheiten werden tatsächlich von winzigen Geschöpfen verursacht, weißt du«, sagte Tiffany, die einmal einem reisenden Lehrer ein Ei gegeben hatte, um sein **Erstaunlicher mikroskopischer Apparat! Ein Zoo in jedem Tropfen abgestandenem Wasser** zu sehen. Am nächsten Tag hätte sie fast einen Zusammenbruch erlitten, weil sie nichts trank. Einige der Geschöpfe waren haarig gewesen.
»Stimmt das?«, fragte Frau Wetterwachs sarkastisch.
»Ja. Und Frau Grad legt Wert darauf, immer die Wahrheit zu sagen!«
»Ausgezeichnet. Sie ist eine gute, ehrliche Frau«, sagte Frau Wetterwachs. »Doch ich meine: Man muss den Leuten eine Geschichte erzählen, die sie verstehen. Ich glaube, derzeit müsste man ziemlich viel von der Welt verändern und Herrn Raddels dummen dicken Kopf ein paar Mal gegen die Wand stoßen, bis er glaubt, dass man krank werden kann, wenn man Wasser mit unsichtbaren Tieren darin trinkt. Und während man damit beschäftigt ist, geht es den Kindern schlechter. Böse Kobolde… Das ergibt heute einen Sinn. Und die Geschichte bewirkt, dass die Dinge richtig laufen. Und wenn ich morgen Fräulein Tick sehe, sage ich ihr, es wird Zeit, dass die reisenden Lehrer hierher kommen.«
[…]
Sie sah zur Seite, bemerkte Tiffanys Gesichtsausdruck und klopfte ihr auf die Schulter.
»Schon gut«, sagte sie. »Sieh es so: Morgen besteht deine Aufgabe darin, die Welt in einen besseren Ort zu verwandeln. Und meine Aufgabe ist es heute dafür zu sorgen, dass ihn alle erreichen.«
(Terry Pratchett: Ein Hut voller Sterne. Ein Märchen von der Scheibenwelt, München: Manhattan 2006, S. 255-257)

Wie an diesem Zitat deutlich werden dürfte, handelt es sich nichtsdestotrotz um einen Terry Pratchett. Ich meine, der Humor kommt nicht zu kurz. Es werden zwar einige Denkanstöße gegeben, aber vor allem wird viel Anlass zum Schmunzeln geboten.

Besonders gefreut hat mich in diesem Zusammenhang, dass man beim zweiten Teil der Reihe nicht nur Tiffany Weh wieder begegnet, sondern auch den Wir-sind-die-Größten, diesen knapp 15 cm großen Kobolden, mit ihrer unerschrockenen Einsatzbereitschaft, ihren ganz eigenen Moralvorstellungen und ihren herzerfrischenden Denkweisen, die ich bereits bei „Kleine freie Männer. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ lieb gewann.

Frau Grad sah zur Uhr ohne Zeiger. »Es wird spät«, sagte sie. »Was genau schlägst du vor, Herr Irgendwer?«
»Wie bitte?«
»Habt ihr einen Plan?«
»Oh, ja!«
Rob Irgendwer kramte in dem Lederbeutel, den die meisten Größten an ihrem Gürtel tragen. Ihr Inhalt ist normalerweise ein Geheimnis, aber manchmal zählen interessante Zähne dazu.
Er holte einen mehrfach gefalteten Zettel hervor.
Frau Grad entfaltete ihn vorsichtig.
»PLN?«, las sie.
»Ja«, sagte Rob stolz. »Wir sind vorbereitet! Es ist aufgeschrieben! Peh Ell Enn. Plan.«
»Äh… wie soll ich es ausdrücken…« Frau Grad überlegte. »Ihr seid den ganzen weiten Weg hierher geeilt, um Tiffany vor einem Geschöpf zu retten, das man nicht sehen, nicht berühren, nicht riechen und nicht töten kann. Was habt ihr vor, wenn ihr es findet?«
Rob Irgendwer kratzte sich am Kopf, was einen Regen aus verschiedenen Objekten verursachte.
»Ich glaube, da hast du den schwachen Punkt des Plans entdeckt«, gestand er.
(Terry Pratchett: Ein Hut voller Sterne. Ein Märchen von der Scheibenwelt, München: Manhattan 2006, S. 193 f.)

Was es mit dem Geschöpf, das man nicht sehen, nicht berühren, nicht riechen und nicht töten kann, genauer auf sich hat, und wie und mit welcher Hilfe Tiffany diese Bedrohung letztlich meistert, liest jeder, der Freude an solchen Geschichten hat, am Besten selbst.

Ich freue mich nun jedenfalls schon auf „Der Winterschmied“ – die Fortsetzung , die im Februar erscheinen soll.


27. Juli 2006

Terry Pratchett & Neil Gaiman: Ein gutes Omen

Filed under: Neil Gaiman,Terry Pratchett — Lectrix @ 21:56

Vor einigen Jahren (Anfang/Mitte 1998 war es vermutlich) lasen wir uns diesen Roman schon einmal gegenseitig vor und amüsierten uns dabei herrlich.
Nachdem wir nun ein so vergnügliches Buch von Terry Pratchett lasen (MacBest) und eine so packende Geschichte von Neil Gaiman (Niemalsland), was lag da näher, als sich dieses Gemeinschaftsprojektes zu entsinnen und es im nächsten Buchladen zu bestellen.
Mittlerweile haben wir es schon wieder durch und ich meine, wir amüsierten uns sogar noch mehr als beim ersten Mal.

Womit sollte man beginnen, wenn man einen Roman über den Weltuntergang schreiben möchte? Terry Pratchett und Neil Gaiman entschieden sich dafür, mit dem Gespräch zwischen einem Engel – der das Osttor des Paradieses bewacht und dessen Name Erziraphael lautet – und einem Dämonen – der in der Gestalt einer Schlange auftritt und Kriecher heißt – einzusetzen, kurz nachdem diese sich das erste Mal in die Belange der Menschen einmischten. Beide überlegen bereits, ob sie Fehler gemacht haben. Die Schlange zweifelt, ob es wirklich schlecht war Adam und Eva zum Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis zu verleiten. Und auch der Engel fragt sich besorgt, ob er den Menschen sein Flammenschwert wirklich hatte schenken sollen. Aber er hatte solches Mitleid mit Ihnen, als sie vertrieben wurden, denn er fürchtete, dass sie frieren würden und den wilden Tieren schutzlos ausgeliefert seien…

Dann werden knapp sechstausend Jahre übersprungen und die Geschichte setzt in der Nacht der Ankunft des Antichristen, des Sohnes Satans, im England unserer Tage wieder ein. „Es war keine dunkle und stürmische Nacht. Eigentlich sollte es eine dunkle und stürmische Nacht sein, aber auf das Wetter ist eben kein Verlaß.“ Crowley, wie sich Kriecher inzwischen nennt, bringt das Baby zwar dem ihm von unten erteilten Auftrag gemäß zu einem Kloster satanischer Nonnen, wo es gegen das Neugeborene der Frau eines amerikanischen Botschafters ausgetauscht werden soll. Er trifft sich aber bald darauf mit dem Engel Erziraphael, der ebenfalls immer noch auf Erden weilt, und verrät ihm den teuflischen Plan: Am elften Geburtstag des Antichristen wird der Höllenhund zu ihm kommen und kurz darauf wird er die Apokalypse heraufbeschwören.
Gemeinsam wollen der Engel und der Dämon versuchen, den Weltuntergang noch ein wenig hinaus zu zögern, denn eigentlich fühlen sich beide inzwischen auf der Erde ganz wohl…

Neil Gaiman und Terry Pratchett lassen folgend ein Feuerwerk skuriller Ideen auf den Leser los, die sich grob an den Offenbarungen des Johannes orientieren, den Film ‚Das Omen‘ parodieren und auf die Prophezeihungen des Nostradamus anspielen, aber alles in unsere Zeit übersetzt, wodurch von Ihnen mit Humor – aber dennoch durchaus kritisch – nebenbei auf etliche soziale und umweltpolitische Problematiken und gesellschaftliche Fehlentwicklungen hingewiesen wird.

Beispielhaft für die vorgenommenen Modernisierungen kann man vielleicht anführen, dass die vier Apokalyptischen Reiter nicht mehr auf Rössern herannahen, sondern als wahre Hell’s Angels auf Motorrädern unterwegs sind. Es handelt sich im Übrigen nicht mehr um Krieg, Hunger, Pestilenz und TOD, sondern nun um Krieg, Hunger, Umweltverschmutzung und TOD. Pestilenz hatte sich nämlich 1936, nach Erfindung des Penizilins, in den Ruhestand zurückgezogen. Umweltverschmutzung war die Nachfolge angetreten, da er die Zukunft für vielversprechend hielt. Andere passten ihr Vorgehen den veränderten Zeiten an:

Sable hatte schwarzes Haar einen sorgfältig gepflegten schwarzen Bart und gerade beschlossen, eine Aktiengesellschaft zu gründen.
Er stieß mit seiner Buchhalterin an.
»Wie läuft’s, Frannie?« fragte er sie.
»Bestens. Bisher haben wir zwölf Millionen Exemplare verkauft. Ist das zu fassen?«
[…]
Ein Skelett unterbrach sie. Aber es war kein gewöhnliches Skelett. Dieses Skelett trug ein Dior-Kleid, und sonnengebräunte Haut spannte sich fast bis zum Zerreißen straff über die Knochen des Schädels. Es hatte langes blondes Haar und perfekt geschminkte Lippen. Ja, Sie haben richtig getippt: eine Frau. Sie sah aus wie eine jener Personen, auf die Mütter zeigen, um ihre Sprößlinge zu warnen: ›Das passiert mit dir, wenn du dein Gemüse nicht ißt.‹ Kennen Sie die Plakate, die auf Hungersnöte in Afirka hinweisen und um Spenden bitten? Diese Frau hätte dafür sorgen können, daß sich die Kassen der verschiedenen Hilfsorganisationen innerhalb weniger Tage füllen.
Sie war das berühmteste Fotomodell New Yorks – und sie hielt ein Buch in der Hand. »Äh, bitte entschuldigen Sie, Mister Sable. Ich möchte Sie nicht stören, sondern mich nur bei Ihnen bedanken, weil Sie mein Leben geändert haben. Wären Sie vielleicht so nett, Ihr Werk für mich zu signieren?« Ihre tief in den Höhlen liegenden, üppig mit Lidschatten bemalten Augen starrten Sable flehentlich an.
Er nickte großzügig und nahm das Buch entgegen.
Es überraschte ihn nicht, daß ihn die Frau erkannt hatte: die silberne Rückseite des Covers zeigte sein Foto. D-Plan Diät: Wie man schlank und attraktiv wird lautete der Titel. Und: Das Diät-Buch des Jahrhunderts!
(Terry Pratchett & Neil Gaiman: Ein gutes Omen, 2. Auflage, München: Pieper 2006, S. 74-76)


4. Juli 2006

Terry Pratchett: Lords und Ladies – Ein Scheibenwelt-Roman

Filed under: Terry Pratchett — Lectrix @ 11:16

‚Lords und Ladies‘ ist eine Enttäuschung.
Vielleicht erwarteten wir nach der recht stringenten Handlung, den vielen Anspielungen und dem abwechslungsreichen Geschehen in ‚MacBest‚ auch einfach zu viel. Aber auf Seite 48 angekommen beschlossen wir, dass uns die Geschichte eigentlich nicht interessiert und wir keine Lust haben, weiter zu lesen. Darum legten wir das Buch weg.
Ich selbst werde das Buch später (in einigen Wochen oder irgendwann) sicher noch einmal zur Hand nehmen, um es allein zu lesen. Nicht weil mich die bisherige Geschichte um die überall auftauchenden Kornkreise und das anscheinend hinter den Steinkreisen lauernde Winterland doch interessieren würde, sondern lediglich, um herauszufinden, ob meine Vermutung sich bewahrheitet, dass es sich bei dem auf den ersten Seiten beschriebenen jungen, wissbegierigen Mädchen Esmeralda, um Oma Wetterwachs handelt, die ja in ‚MacBest‘ von Nanny Ogg desöfteren mit Esme angeredet wird.
Vielleicht geht Terry Pratchett im weiteren Verlauf ja ausführlicher auf die Vorgeschichte von Oma Wetterwachs ein. Vielleicht gelingt es ihm dann ja, mein Interesse zu wecken und mich zu fesseln. Darum werde ich diesem Roman später sicherlich nochmals eine Chance einräumen. Momentan haben wir aber Interessanteres zu lesen…


30. Juni 2006

Terry Pratchett: MacBest – Ein Roman von der bizarren Scheibenwelt

Filed under: Terry Pratchett — Lectrix @ 21:04

Mit viel Vergnügen lasen wir uns in den letzten Wochen diesen Roman von Terry Pratchett vor. Er ist hervorragend dazu geeignet vorgelesen zu werden und dabei Vergnügen zu bereiten, denn während der Duktus äußerst flüssig ist, kommt es häufig zu überraschenden Wendungen im Geschehen und stiftet so immer wieder zu gemeinsamen Schmunzeln und ab und an sogar Gelächter an.

Die eigentliche Geschichte ist schnell zusammengefasst:
König Verence wurde von Herzog Felmet ermordert, den seine ehrgeizigen Gattin zu dieser Tat anstiftete, um auf diese Weise die Herrschaft über das kleine Reich Lancre zu erringen. Einem treuen Diener gelang in jener Schreckensnacht jedoch, den Sohn des Königs sowie die Krone aus dem Schloß und zu den drei Hexen des Landes zu bringen. Obwohl diese sich zunächst nicht einmischen wollen, bringen sie den Knaben bei einem durchziehenden Wandertheater unter und verstecken die Krone in dessen Requisitentruhe…
Bereits im folgenden Jahr müssen die Hexen jedoch erkennen, wie schlecht dem Land – und das ist bei Pratchett durchaus wörtlich zu verstehen – die Herrschaft dieses neuen Herrschers gefällt, denn dieser seinerseits hasst dieses Land und insbesondere seine Bäume.
Während der Herzog durch ein von ihm beauftragtes Theaterstück erreichen will, die Hexen in Misskredit zu bringen und eine ihm günstige Darstellung der Ereignisse um den Tod seines Vorgängers zu verbreiten, beschäftigen sich die Hexen damit, ein wenig an der Zeit zu drehen und den rechtmäßigen Thronfolger zurück zu rufen.
Beider Bestrebungen kommen zusammen und so ist es natürlich ein ganz bestimmtes Wandertheater, welches sich auf den Weg nach Lancre macht…

Der Titel des Romans und die Grundkonstellation sind natürlich Macbeth entlehnt. Weitere Anspielungen, Übernahmen, Verdrehungen folgen. Vergnüglich ist das jederzeit. Fraglich bleibt nur, ob es Satire, Persiflage oder eher eine Hommage sein soll. Vermutlich alles in einem.

Die Lektüre ist deshalb insbesondere für Leser unterhaltsam, die Shakespeare kennen. Denn etliche Passagen kann man zwar auch belustigend finden, wenn man noch keine Stücke Shakespeares sah oder las. Die Absätze sind aber sicherlich wesentlich amüsanter, wenn man die Szenen bei Shakespeare kennt, auf die Terry Pratchett anspielt.

Wenn man auf den letzten Seiten angekommen ist, ist man traurig, dass es schon vorbei sein soll. Alle Protagonisten haben zwar ihren Platz gefunden, bzw. wurden ihrem verdienten Schicksal zugeführt, wie bei einem Theaterstück kann der Vorhang fallen. Aber dennoch, man würde gerne noch weiterlesen. Und man kann: Denn ‚Lords und Ladys‘ soll eine Fortsetzung dieser Geschichte sein. Ich habe dieses Buch heute aus der Stadtbibliothek entliehen…


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