Maarten ‘t Hart: Die Sonnenuhr oder Das geheime Leben meiner Freundin Roos
Von Maarten ‚t Hart las ich zuvor „Das Wüten der ganzen Welt“ sowie „Die Jakobsleiter“. Dabei handelt es sich auch schon um recht unterschiedliche Bücher, die mir aber beide – jedes in seiner Art – sehr gut gefielen.
„Die Sonnenuhr“ ist nun nochmal ganz anders.
Ich habe es aber gerne gelesen, denn es hat mir – eher überraschend, wenn man an die beiden anderen Bücher denkt – einige recht vergnügliche Stunden verschafft. Es ist nämlich zwar ein Krimi, der gegen Ende sogar recht spannend wird. Jedoch erlaubt sich Maarten ‚t Hart in diesem Roman darüber hinaus etliche amüsante – durchaus treffende – Beobachtungen der Probleme mit denen Frauen sich herumschlagen. So beginnt das Buch schon mit dem folgenden Absatz:
Roos war tot, und ich wußte nicht, was ich anziehen sollte. Wenn es doch Winter wäre, dachte ich, dann würde ich meinen schwarzen Mantel anziehen. Wer stirbt denn auch im Sommer? Zugegeben, es war ein holländischer Mogelsommer mit kalten, nassen Tagen. Schon seit Anfang Juni herrschte der westeuropäische Monsun. Dennoch, ein Wintermantel, das ging nicht. Aber was dann?
(Maarten ‚t Haart: Die Sonnenuhr, 2. Aufl., Zürich-Hamburg: Arche 2003, S. 7)
Diese Überlegung der Ich-Erzählerin erscheint einerseits natürlich unpassend, insbesondere angesichts der Tatsache, dass es immerhin um die Beerdigung ihrer besten Freundin geht. Andererseits weiß man, dass Frauen solch unpassende Fragen in derartigen Momenten durch den Kopf gehen. Erfrischend also, dieses zu lesen.
Und auch wenn es auf den nächsten Seiten zunächst weiter um Fragen der Garderobe zu gehen scheint, hat Maarten ‚t Hart damit bereits in diesem ersten Abschnitt die eigentliche Frage angedeutet: Ist Roos tatsächlich an einem Sonnenstich gestorben?
Als die Ich-Erzählerin kurz darauf den Bedingungen des seltsamen Testamentes Ihrer Freundin gemäß in deren Wohnung einzieht und ihr Aussehen nachzuahmen beginnt, um den Katzen auch weiterhin das gewohnte Frauchen zu bieten, erreichen sie merkwürdige Anrufe, reagieren Personen unangemessen erschreckt bei ihrem Auftauchen, kommt es zu Begegnungen mit merkwürdigen Typen und schrillen Personen. Und so beginnt sie sich allmählich intensiver mit der Frage zu beschäftigen, was Ihrer Freundin zugestoßen sein mochte. Schon bald ist sie sich sicher, dass jemand nachgeholfen haben muss. Zunächst scheint es aber kein Motiv zu geben. Doch dann macht die Ich-Erzählerin eine erstaunliche Entdeckung:
Auch Geldzählen erwies sich, wieder zu Hause angekommen, mit Curve Ovals als lästige Aufgabe. Ich hätte es gar nicht zu tun brauchen. Weshalb mußte ich unbedingt genau wissen, wieviel Geld ich mitgebracht hatte? Ich zählte alles genau, obwohl mir schon nach dem ersten Umschlag, in dem fünftausend Gulden steckten, klar war, daß der Gesamtbetrag sich auf die bemerkenswert runde Summe von fünfzigtausend belaufen würde.
Fünfzigtausend! Was sollte ich damit um Himmels willen anfangen? Anderthalb Jahre noch bis zur Einführung des Euro, gut fünfhundert Tage. Hundert Gulden pro Tag würde ich ausgeben müssen! Wofür, um Himmels willen? So teuer war Sheba nicht.
Nun hatte ich das Problem, wo ich fünfhundert Scheine sicher verwahren konnte, und dazu die Frage, wie Roos an das viele Geld gekommen war. Die vorläufige Lösung des ersten Problems machte das zweite noch dringlicher. Denn als ich ein Buch nach dem anderen aus ihrem Regal nahm und in jedes zwei Hunderter legte, stellte sich heraus, daß besonders in größeren Nachschlagewerken bereits Banknoten zwischen den Seiten lagen.
(Maarten ‚t Haart: Die Sonnenuhr, 2. Aufl., Zürich-Hamburg: Arche 2003, S. 160f.)
Nach und nach findet die Ich-Erzählerin immer mehr Möglichkeiten heraus, woher Roos das Geld haben könnte und wer demzufolge ein Motiv gehabt hätte. Im Laufe des Buches erweist sich, dass der Untertitel „Das geheime Leben meiner Freundin Roos“ nicht zu viel versprach.
Dass die tatsächliche Lösung mich nicht völlig überzeugen konnte, macht bei diesem Krimi nichts. Die Lösung ist ok, nicht mehr. Wichtiger ist jedoch mit welcher Beschwingtheit es zu einer überraschenden Wendung nach der anderen kommt, wie geschickt der Autor seine Protagonistin und den Leser auf eine falsche Spur nach der anderen bringt und wie nett Maarten ‚t Haart nebenbei die ganz normalen Probleme des Alltags einfängt.
Ein ideales Buch zum entspannten Lesen – egal ob beim Sonnenbad auf dem Balkon oder an einem verregneten Tag auf der Coach.