Lectrix – Notizen einer Leserin

27. Juni 2006

Midas Dekkers: Von Larven und Puppen – Soll man Kinder wie Menschen behandeln?

Filed under: Midas Dekkers — Lectrix @ 9:51

In der vorigen Woche und am letzten Wochenende habe ich immer wieder in diesem Buch von Midas Dekkers geschmökert. Ich habe es nicht von vorne nach hinten gelesen. Ich habe einfach viel darin geblättert, Stellen angetestet und von dort an – hängen bleibend – die nächsten Passagen gelesen. Deshalb gibt es bestimmt einige Abschnitte, die ich bisher noch nicht las. Außerdem gibt es Anlass sich zu wundern, denn eigentlich sieht mein Leseverhalten so nicht aus. Ich lese entweder ein Buch von vorne nach hinten – höchstens mal ein paar Seiten schneller überfliegend, um wieder zu interessanteren Zeilen zu kommen – oder gezielt einzelne über das Inhaltsverzeichnis ausgewählte Kapitel oder über das Stichwortverzeichnis ermittelte Absätze. Warum ist das bei diesem Buch anders?

Zunächst einmal lässt sich feststellen:
Ich habe das schon Mal so gemacht. Und zwar bei einem anderen Buch desselben Autoren. Midas Dekkers: An allem nagt der Zahn der Zeit – Vom Reiz der Vergänglichkeit.

Es liegt also vermutlich an dem Autoren, bzw. an seiner Art zu schreiben, seiner Art seine Bücher aufzubauen. Und damit habe ich das richtige Stichwort: ‚an seiner Art seine Bücher aufzubauen‘. Falls Midas Dekkers eine Art hat ’seine Bücher aufzubauen‘, dann besteht diese darin, keinen stringenten Aufbau erkennen zu lassen. Statt ein systematisch aufgebautes Buch zu lesen, hat man nämlich bei der Lektüre das Gefühl, einem Plauderer in die Fänge geraten zu sein. Nein, eigentlich eher in ein Gewitter von Gedankenblitzen geraten zu sein. Der Autor kommt von Hölzken aufs Stöcksken, macht dann eine Abschweifung, bringt einen anderen Vergleich, um schließlich einen Schlenker zu einem weiteren damit zusammenhängenden Aspekt zu unternehmen – und ganz nebenbei wird man dabei mit einer Unmenge von Informationen überschüttet, die faszinieren und fesseln.

Bemerkenswert ist die Lockerheit seiner Formulierungen, die Respektlosigkeit seiner Vergleiche, der zum Ausdruck kommende schwarze Humor sowie die Provokanz seiner Gedankenanstöße.

Damit konkreter zu diesem Buch. Bei ‚Von Larven und Puppen – Soll man Kinder wie Menschen behandeln?‘ geht es eigentlich um die Entwicklung des Kindes und um Erziehungsfragen, aber auch unsere Gesellschaft und unser Menschenbild. Da es ein Buch von Midas Dekkers ist, einem Biologen, handelt es darüber hinaus von allen möglichen Tieren/Pflanzen/Viren (in diesem Fall auch häufiger Insekten), ihrem Aufbau, ihrem Fortpflanzungsverhalten, ihren Ernährungsgewohnheiten, … die sich in Zusammenhang bringen lassen, mit uns Menschen, unserem Aufbau, unserem Fortpflanzungsverhalten, unseren Ernährungsgewohnheiten, bzw. sich zumindest anbieten, Vergleiche anzustellen und Schlüsse daraus zu ziehen.

Auch wenn man nicht bereit ist, sich Midas Dekkers These, dass Baby und Mensch sich ähnlich zueinander verhalten wie Raupe und Schmetterling, anzuschließen, lohnt sich die Lektüre dieses Buches. Denn es regt zum Überdenken vieler selbstverständlich genommener Verhaltensweisen und Strukturen an, ermöglicht interessante Selbsterkenntnisse und lässt einen nicht zuletzt darüber nachdenken, ob vielleicht doch etwas dran ist, an Midas Dekkers Anregung, dass man nicht versuchen sollte, Kinder zu guten Menschen (im Sinne von: Erwachsenen) zu erziehen, sondern Kindern lieber helfen sollte, gute Kinder zu sein.


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