Jose Saramago: Das Zentrum
Da seit der Lektüre des letzten Romans von Jose Saramago („Der Doppelgänger„) tatsächlich bereits wieder über ein halbes Jahr vergangen war, freute ich mich sehr, als ich dieses Buch im Regal der Bibliothek vorfand, auf welches ich schon geraume Zeit lauerte.
Wieder musste ich mich in den Schreibstil von Jose Saramago zunächst einlesen. Er schreibt schließlich auch diesen Roman unter äußerst sparsamem Einsatz von Punkten und Absätzen und völligem Verzicht auf Anführungszeichen als Kennzeichen wörtlicher Rede. Doch auch in diesem Fall lohnt es sich meiner Meinung nach, sich darauf einzulassen.
Jose Saramago offenbart in diesem Buch sicherlich deutlicher als in den anderen Büchern, die ich bereits von ihm las („Der Doppelgänger“ und „Stadt der Blinden„), seine kommunistische Grundeinstellung. Er bezieht dabei auf für ihn typische Art Stellung, wie dieser beispielhafte Auszug verdeutlichen soll:
Die Gründe zur Klage über die unbarmherzige Geschäftspolitik des Zentrums, wie Cipriano Algor sie empfand, wurden in dieser Erzählung bereits ausführlich aus dem Blickwinkel einer offenen Klassensympathie dargelegt, ohne dass dadurch, wie wir meinen, der strenge Verzicht auf eine Wertung aufgegeben wurde, sie dürfen jedoch nicht vergessen machen, auch wenn wir dadurch riskieren, den hitzigen Konflikt in der historischen Beziehung zwischen Kapital und Arbeit wieder anzufachen, sie dürfen also nicht vergessen machen, wie wir bereits bemerkten, das besagter Cipriano Algor auch einen Teil Eigenschuld an dem Ganzen trägt, dabei besteht seine erste, naive, unerfahrene Schuld, die jedoch, wie so oft bei Unerfahrenheit und Naivität, bösartige Wurzel weiterer Schuld ist, darin, dass er dachte, bestimmte Geschmacksrichtungen und Bedürfnisse der Zeitgenossen seines Großvaters, des Gründers der Töpferei, seien, was Keramikprodukte betrifft, per omnia saecula saeculorum oder zumindest zeit seines eigenen Lebens unveränderlich, was bei genauerer Betrachtung auf dasselbe hinausläuft. Wir haben gesehen, auf welch höchst handwerkliche Art hier der Ton geknetet wird, haben bereits gesehen, wie rustikal und fast primitiv diese Drehscheiben sind, und wir haben gesehen, welch unzulässige Merkmale von Altertümlichkeit der Ofen dort draußen aufweist, in einer modernen Zeit, die trotz der empörenden Mängel und Unduldsamkeiten, die sie kennzeichnen, so gnädig war, bis heute die Existenz einer Töpferei wie dieser zuzulassen, wo doch ein Zentrum wie jenes existiert.
(Jose Saramago: Das Zentrum, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2002, S. 164)
Es geht in diesem Buch aber natürlich nicht nur um den Konflikt zwischen dem alten Töpfer und dem modernen Zentrum. Auch wenn man im Laufe der Lektüre mehr über die althergebrachten Methoden des Töpferns und seiner Herausforderungen erfährt, als man jemals wissen wollte, handelt es sich dabei letztlich doch wieder um eine Art Parabel.
Eine Parabel, die verdeutlichen soll, was im Leben wirklich wichtig ist,
gleichermaßen den Wert der menschlichen Schöpferkraft, der Liebe sowie des Zusammenhalts preist
– und sich in gewissem Sinne auch wieder mit dem Thema „Blindheit“ auseinandersetzt.
Ich fand die Lektüre lohnend.