Michael Böckler – Mord mit drei Sternen
Im letzten seiner bisher erschienen Krimis, in denen Hippolyt Hermanus als Ermittler agiert, wählt Michael Böckler Deutschland als Ort des Geschehens.
Der Grund dafür, dass Hippolyt das von ihm so geliebte ‚dolce far niente‘ für eine Weile aufgibt und sich auf eine Reise in seine alte Heimat einlässt, ist eine dringende Bitte des mit ihm befreundeten Bologner Herausgebers von Gourmetzeitschriften und Restaurantführern, ihn bei einer ersten Recherchereise zu begleiten, die Hipp nicht abzulehnen vermag.
Bei der Besprechung in Matteos Bologneser Verlag wurde Hipp den Mitarbeitern als »Consigliere« vorgestellt, als Berater, der in das Projekt seine Kontakte in Deutschland einbringen könne sowie seine außerordentlichen Weinkenntnisse. Hipp musste spontan an Mario Puzos Paten denken und an Tom Hagen, den Consigliere der Familie Corleone. Erfreulicherweise stellte man an ihn andere Erwartungen.
[…]
Als Matteo den Projektnamen nannte, unter dem der Gourmetführer verlagsintern lief, musste Hipp schmunzeln. »Scarafaggio« war ziemlich originell, hieß das doch nichts anderes als »Küchenschabe«. Ob er damit seine Wertschätzung der deutschen Küche zum Ausdruck bringen wollte?
Interessanter wurde es, als Matteo die Kriterien für die Auswahl der Restaurants und der Weine erläuterte. Man wolle ausländischen Besuchern ebenso die Spitzengastronomie näherbringen, die jeder Feinschmecker einfach kennen sollte, wie auch sogenannte »Geheimtipps« mit landestypischer Küche bis hin zum gepflegten Imbiss an der Ecke, an dem sich Businesspeople zum Lunch treffen. Natürlich werde es Bewertungen geben, auch irgendwelche Symbole. Sterne und Kochmützen kämen aus naheliegenden Gründen nicht in Frage. Ideen seien willkommen. Nein, Küchenschaben seien nicht ideal. Obwohl, »das Lokal hat vier Küchenschaben«, das klinge nicht schlecht.
Natürlich müssten in einem Sonderteil die regionalen Spezialitäten der deutschen Küche erläutert werden. Er persönlich komme dafür als Autor nicht in Frage, die »deutsche Hausmannskost« sei ihm ein Greuel. Schon beim Gedanken an »Hamburger Labskaus mit Spiegelei« kriege er Magengrimmen. Und wie man »Rollmops« ins Italienische übersetze, möge er erst gar nicht wissen.
»Aringa arrotolata«, murmelte Hipp.
Matteo sah ihn vorwurfsvoll an. Dann kam er auf den integrierten Weinführer zu sprechen. Die wichtigsten Anbaugebiete, Rebsorten, empfehlenswerte Winzer. Mit Hipps Hilfe würden sie das schon hinbringen. Auch wenn er seine Zweifel habe, ob man deutschen Wein überhaupt empfehlen könne. Ihm sei ein Liebfrauenmilch mit Eiswürfel in unauslöschlicher Erinnerung. Und die Klassifizierung der deutschen Weine verstünden nicht mal die Einheimischen, wie solle man diese dann Ausländern näherbringen. Matteo schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Una gran confusione!«
[Michael Böckler: Mord mit drei Sternen. Ein neuer kulinarischer Fall für Hippolyt Hermanus, München: Knaur 2012, S. 37-38]
Michael Böckler schafft es, nicht nur die Klassifizierung ganz nebenbei recht gut nachvollziehbar zu erläutern, sondern in einem Anhang – wie man diesen schon von den früheren Büchern kennt – auch die üblichsten Trauben und Anbaugebiete knapp vorzustellen.
Darüber hinaus spielt – worauf der Titel ja deutlich anspielt – in diesem Roman die Spitzengastronomie bzw. die Bewertung von Köchen und Restaurants eine große Rolle.
Selbstverständlich kann es bei diesem Thema nicht bei den zu Beginn zum Ausdruck gebrachten pauschalen Vorurteilen über die deutsche Küche bleiben. Schon auf dem Weg nach Deutschland kommt es darum zu einer ersten Relativierung:
Den Brenner hatten sie bereits hinter sich. Auf der österreichischen Inntalautobahn musste Matteo die »cavalli« seines Maserati noch schweren Herzens zügeln. Er sehnte die deutschen Autobahnen herbei.
Weil ihm langweilig war, diskutierte er mit Hipp einmal mehr die Qualität der deutschen Spitzengastronomie. Hipp erinnerte ihn daran, dass der vielleicht beste Koch Italiens ein Deutscher sei, nämlich Heinz Beck vom La Pergola in Rom. Matteo, der dort natürlich schon häufig gespeist hatte, räumte freimütig dessen hohe Meisterschaft ein. Jetzt hätten sie schon zwei herausragende Deutsche in Rom, Papst Benedetto und den Küchenchef Heinz Beck. Nun sei es aber genug!
Matteo sah Hipp lächelnd an. Er gab zu, dass seine spöttischen Bemerkungen über die deutsche Kochkunst nicht immer ganz ernst gemeint seien. Natürlich wisse er, dass es in Deutschland exquisite Köche gebe. Auch wenn er bisher noch wenig Veranlassung gehabt habe, sich persönlich davon zu überzeugen. Schon bald würden sie in Baiersbronn die Probe aufs Exempel machen. Mittagessen im Bareiss und zu Abend in der Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach. Die Tische seien bereits reserviert.
Hipp grinste. Claus-Peter Lumpp und Harald Wohlfahrt? Exklusiver könne man wohl kaum beginnen, stellte er fest.
[Michael Böckler: Mord mit drei Sternen. Ein neuer kulinarischer Fall für Hippolyt Hermanus, München: Knaur 2012, S. 48-49]
Allerdings kommt es auch zu nicht viel mehr Besuchen von Restaurants der Spitzengastronomie, da bereits kurz nach dem Besuch dieser beiden Lokale, die ersten Morde passieren und Matteo Pergustino als Tatverdächtiger verhaftet wird, sodass Hippolyt Hermanus sich gezwungen sieht, bei der Aufklärung mitzuwirken.
Ein spannender Krimi beginnt…